Auf der schwarzen Tafel, die an der Hauswand hängt, steht: Miller, low-tech wine and kitchen. Was ist low-tech Wein? Ich möchte das unbedingt probieren und wir besuchen die Miller Weinbar an der Urbanstraße in Kreuzberg an einem regnerischen Freitagabend.
Es scheint nicht nur uns so zu gehen, denn in der Bar sind sie auf nicht-Spezialisten-Gäste vorbereitet – jeder Wein darf probiert werden, bevor man sich für einen entscheiden muss.
Wir sitzen direkt am Fenster, auf Barhockern am Tresen. Ich freue mich über Barhocker in Bars, das sehe ich kaum noch, meist gibt es fast ausschließlich Stühle oder Sofas.
Nach und nach füllt sich der Tresen. Marc Van Kempen, der die Bar zusammen mit Daniele Bornino im Sommer letzten Jahres eröffnet hat, bringt uns eine Flasche nach der anderen zum Probieren. Die offenen Weine stehen auf einer Tafel an der Wand: fünf weiße oder orangene, drei rote, ein Rosé und ein Prosecco.
Orangenem Wein bin ich bisher kaum begegnet. Er schmeckt sehr speziell, die Hefe kommt stark zur Geltung, schon wenn man daran riecht. Der erste, den wir probieren, ist fruchtig und hat eine leicht an Birne erinnernde Note. Der zweite ist etwas herber, gleichzeitig aber säurehaltiger. Ich bin fasziniert von der Vielfalt der Weintrauben. Ein ganzes Glas davon möchten wir jedoch für den Anfang nicht und probieren die roten Weine.
Wir sind überrascht, denn auch hier kommt die Hefe stark zum Vorschein. „Unsere Weine werden alle mit natürlicher Hefe, ohne künstlichen Zusatz hergestellt“, erzählt Van Kempen. Low-tech Weine gären mit Hilfe von wilden Hefen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus verschiedenen Hefestämmen, die auf einem bestimmten Weinberg vorkommen, zusammengesetzt sind. Der Geschmack ist dadurch vielschichtiger und individueller. Fast ungewohnt schmecken die Rotweine, irgendwie leichter und säuerlicher.
Den dritten Rotwein, den wir probieren dürfen, der Portinari Tai Rosso, mag Van Kempen am liebsten, sagt er. Wirklich besonders und wirklich einzigartig ist sein Geschmack, gleichzeitig aber hat er etwas Schlichtes und Zurückhaltendes. Ich finde keinen passenden Vergleich zu einem anderen Wein. Schließlich entscheiden wir uns für einen der Weißweine, der beim ersten Schluck überzeugt: der La Felce, Monte dei Frati. Nicht zu speziell, doch auch nicht zu gewöhnlich.
Wasser und drei große, grüne Oliven gibt es zum Wein dazu. Auf einer zweiten Tafel steht die wöchentlich wechselnde Speisekarte mit verschiedenen Bruschette, Salaten und ein bis zwei Pasta-Gerichten. Der Salat mit Forelle und Fenchel klingt sehr gut, oder die hausgemachten Ravioli mit Pak Choi und Sesam. Eine Platte mit ausgewähltem Käse und etwas Wurst wäre auch schön zum Wein, doch ich entscheide mich für die Bruschetta mit gegrillter Zucchini, Ricotta salata und Zitrone. Auf knusprigem Weißbrot, mit aromatischem Olivenöl verfeinert und dem milden Käse, perfekt zur Zucchini, passt die Bruschetta nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch sehr schön auf den hellen Tresen neben den Weißwein.
Beim nächsten Mal probiere ich dann vielleicht die Bruschetta mit Büffelbutter, Sardinen und Mandeln oder die mit Oktopus und Mayonnaise - es war keine leichte Entscheidung. In dieser Weinbar kann man auch richtig gut essen!
Im Hintergrund läuft Musik. Sie drängt sich weder ins Gespräch noch wird eines durch drückende Stille verhindert. Obwohl die Bar nicht allzu groß ist, schirmt die Musik die einzelnen Konversationen gewissermaßen ab, sodass man ausgelassen miteinander sprechen kann. Für mich stehen Barabende für gute Gespräche - und das geht hier wunderbar.
Wunderbar finde ich die ganze Bar. Mit ihren naturbelassenen Weinen aus verschiedenen Ländern, ihrer ausgefeilten Speisekarte, dem professionellen Service und der rustikal-edlen Gestaltung - ich freue mich schon auf weitere Abende in der Miller Weinbar.
Miller, low-tech wine and kitchen
Urbanstraße 126
10967 Berlin
Mittwoch bis Sonntag von 18 bis 1 Uhr geöffnet