Man kann nur die Tage zählen, bis es soweit ist. Soweit, dass man viele Wochen im Voraus reservieren muss, um einen Tisch im Fine Fingerfood zu bekommen. Das glaube ich zumindest, denn das Konzept dieses Restaurants in der Grunewaldstraße in Schöneberg ist einzigartig in Berlin, das Essen sehr gut und das Preis-Leistungsverhältnis unglaublich fair.
Das Fine Fingerfood gibt es noch nicht lange, doch so fühlt es sich an. Ich bin überrascht als ich eintrete, denn ich erwarte das junge, noch nicht ganz definierte Flair eines neuen Restaurants und stattdessen empfängt mich der Charme eines alteingesessenen berliner Lokals. Ohne das Raue, leicht Schmuddelige, wie ich es aus tatsächlich alten Lokalen häufig kenne, bleibt hier nur das gemütlich Bodenständige und die Atmosphäre schafft es, dabei die Eleganz eines gehobenen Restaurants zu bewahren.
Dies liegt vielleicht auch an dem Service, denn diesen macht der Restaurantinhaber Spangenberg selbst. Er nimmt sich Zeit für jeden Gast, erklärt das Menü und es entsteht diese Dynamik - zwischen Gastgeber und zu Gast sein. Es ist diese Art Service, welche fast schon zu einer Rarität geworden ist, nach der "alten Schule" würde ich sagen. Sehr angenehm, zuvorkommend und ehrlich ist Spangenberg. Im Hintergrund laufen Lieder, die jeder kennt und vielleicht nicht jeder mag, aber diese unkomplizierte Musikwahl finde ich sympathisch.
Das Konzept im Fine Fingerfood ist Folgendes: es gibt vier Menüs, meist noch ein zusätzliches Tagesmenü, die alle aus vier kleinen Gerichten bestehen. Diese vier in Gläschen servierten Speisen werden alle gleichzeitig gebracht, aufgereiht auf einem schmalen Holztablett. Eine Vorspeise, der Hauptgang aus Fleisch oder Fisch, eine Beilage und ein Dessert, dazu etwas Brot. Berlin, Italien, Österreich oder Frankreich - jedes der Menüs spiegelt eine der Küchen wieder. Alles in seinem eigenen Gläschen, alles auf einmal vor einem. Ich liebe es, wenn die einzelnen Komponenten noch getrennt sind und vom mehrere Gänge hintereinander essen bin ich auch nicht der größte Fan. Überzeugt bin ich auch von der Grundidee, viele kleine Speisen zu servieren um so viele verschiedene Dinge probieren zu können.
Der Gruß aus der Küche ist eine mundgerechte Kugel Leberwurst, ummantelt mit gerösteten Kürbiskernen und Trüffel - sehr gut, vor allem, wenn man Leberwurst mag, was ich definitiv tue.
Wir bestellen einen starken, vollmundigen Rotwein aus Italien und einen leichten französischen Weißwein. Dieser ähnelt keinem Weißwein, den wir je probiert haben, doch schmeckt genauso wie beschrieben: Zitrone, Apfel, Ananas. Wirklich besonders.
Meine Begleitung bestellt das "Savoir Vivre", dessen Hahn in Rotwein die Terrine vom Edelfisch sogar noch übertrifft. Zum Coq au vin gibt es ein getrüffeltes Kartoffelpüree mit Pinienkernen und Wirsing, in welches sich jeder Trüffelliebhaber wahrscheinlich würde reinlegen wollen. Dazu gehört meine Begleitung leider nicht, doch ich biete ihr meine Kartoffelklöße zum Tausch an und wir sind beide glücklich.
Auf meinem Brett reihen sich eine ingwerige Kürbissuppe, eine mit Maronen gefüllten Gans auf saftigem Grünkohl und ein Tiramisu auf. Köstlich! Auch das Vitello Tonnato, das ich extra noch bestelle, ist fein und die Thunfischsoße leicht und gefällig.
Ein Tisch voller verschiedener kleiner Gerichte - ich habe richtig Spaß dabei. Meine Begleitung empfindet es anfangs als etwas überfordernd und ein kleiner Nachteil ist auch, dass man nicht alles komplett heiß essen kann. Dennoch stört mich lauwarmes Essen hier weniger als sonst, denn das Gefühl beim Essengehen ist ein anderes. Es ist, als gäbe es dadurch wie neue Regeln im Fine Fingerfood für mich.
Gegen 21 Uhr wird es richtig voll. Die Geräuschkulisse aus Lachen, Geschirrgeklimper, Gesprächen und Musik passt wunderbar zum rundverlaufenden hölzernen Tresen um den Barbereich herum und ich kann mir vorstellen, dass hier einem langen, ausgelassenen Abend nichts im Wege steht.
Mir fallen einige Personen ein, denen es hier sehr gefallen würde. Das heißt, ich komme auf jeden Fall wieder - und wieder.
Fine Fingerfood by Spangenberg
Grunewaldstraße 10
10823 Berlin
Mittwoch bis Sonntag ab 17 Uhr geöffnet